hallo nachbar!

In unserem neuen Heft, „Alltagsgeschichten“, berichten Ehrenamtliche und Nachbarn*Innen gemeinsam von ihren Erlebnissen und Erfahrungen, die sie durch und mit „hallo nachbar!“ gesammelt haben. Alle zwei Wochen möchten wir nun einzelne Geschichten vorstellen, sodass alle einen besseren Einblick in das Leben unserer Nachbarn*Innen und die Arbeit unserer Ehrenamtlichen bekommen können.

Alle, die Interesse an diesen Geschichten haben, können die „Alltagsgeschichten“ ganz einfach kostenlos bei uns bestellen! Einfach telefonisch (0211 15 30 60) oder per Mail (hallo-nachbar@vision-teilen.org) bei uns melden und ein eigenes, gedrucktes Heft per Post oder zum Abholen im Büro (nach terminlicher Absprache), erhalten.

Die heutige „Alltagsgeschichte“ handelt von Werner, einem Ehrenamtlichen der schon ganz schön lange an unserer Seite steht und daher schon eine Menge mit uns erlebt hat. In seiner "Alltagsgeschichte" spricht er über seinen Nachbarn Mario, dessen Sohn und den Abschied. 

"Im Jahr 2013 stand für mich eine große Veränderung an. Ich lief siebeneinhalb Wochen den Jakobsweg. Danach ließ ich meinen Job ausklingen und wurde Rentner. In dieser Zeit lernte ich Bruder Peter kennen, der 2008 den Verein „vision:teilen - eine franziskanische Initiative gegen Armut und Not - e.V.“ ins Leben rief. Ich hatte viel Zeit, die ich für sinnvolle Dinge nutzen wollte. Ulrich Fezer war damals federführend für das vision:teilen Projekt „hallo nachbar!“ verantwortlich. Gemeinsam mit ihm führte ich Vorstellungsgespräche mit neuen Ehrenamtlichen, erarbeitete Leitlinien und plante Reisen für und mit den Ehrenamtlichen. Schließlich lernte ich Mario kennen, meinen ersten Nachbarn.

Mit den besten Absichten wollte er seinen Vater nach Como holen

Ich besuchte Mario mehrmals die Woche. Der Pflegedienst übernahm die Pflege, die Einkäufe und die Wohnungsreinigung. Für alles andere war ich zuständig. Ich fuhr mit ihm zu Ärzten und erledigte Schriftkram, Bankgeschäfte und Behördenangelegenheiten. Seit seinem Schlaganfall konnte er kaum noch laufen, seine rechte Körperhälfte war gelähmt. Auch das Sprechen fiel ihm schwer. Er lebte allein und zurückgezogen. So kam es, dass seine Interessen vor allem aus Rauchen und dem italienischen Fernsehen bestanden. Ich versuchte Kontakt zu seinem in Italien lebenden Sohn herzustellen. Eines Tages kam Alessandro tatsächlich mit seiner Tochter, Marios einzigem Enkelkind, nach Deutschland. Mit den besten Absichten wollte er seinen Vater zu sich nach Como holen. Doch Mario lehnte ab und blieb allein in Deutschland. Nachdem ich mich drei Jahre um ihn kümmerte, brach er den Kontakt zu mir und „hallo nachbar!“ ab. Das war für mich sehr schmerzhaft.

In dieser Zeit tobte die erste Corona-Welle.

Eineinviertel Jahre hörte ich nichts mehr von ihm; „hallo nachbar!“ hatte mich in der Zwischenzeit mit einem anderen alleinstehenden Nachbarn zusammengebracht, den ich seitdem einmal in der Woche besuche. Doch eines Tages bekam ich eine E-Mail von Marios Sohn. Mario war gestorben. Der Pflegedienst fand ihn in der Küche auf dem Boden. Weil die Todesursache nicht geklärt wurde, versiegelte die Kriminalpolizei die Wohnung. In dieser Zeit tobte die erste Corona- Welle – vor allem in Norditalien, wo Marios Sohn wohnt. Die Länder in Europa versuchten mit Lockdowns und Schließung der Grenzen, Herr der Lage zu werden. Für mich war klar, Alessandro brauchte Hilfe. Erst vier Monate nach dem Tod des Vaters ließ die Corona-Situation Alessandros Reise nach Düsseldorf zu. Vor uns lag eine Menge Bürokratie. Dem trauernden Sohn blieb nichts erspart. Gemeinsam verbrachten wir eine zeitintensive Woche.

Mit der Urne seines Vaters flog Alessandro nach Como zurück.

Wir fuhren zum Bestattungsinstitut, Nachlassgericht, Polizeipräsidium, zur Bank und mehreren Finanzämtern. Wir räumten die Wohnung aus. Alessandro musste oft Schlucken, weil er einige Erinnerungsstücke und Dokumente fand, die ihn sehr berührten. Für ihn war es eine schwere Zeit. Als alles erledigt war, bedankte sich Alessandro herzlich bei mir für meine Unterstützung und wusste, dass er allein hilflos gewesen wäre. Aus diesem Grund bin ich Ehrenamtlicher. Ich helfe Menschen in Not. Mit der Urne seines Vaters flog Alessandro nach Como zurück, wo Mario beigesetzt wurde. Inzwischen telefonieren der Sohn und ich regelmäßig. Warum sein Vater damals den Kontakt abbrach, werde ich wohl nie erfahren."

Auch wenn doe Freundschaft zwischen Mario und Werner so abrupt  endete, vergessen wird Werner sie nie. Man kann nur empfehlen, mehr über die Freundschaften zu lesen, die  bei "hallo nachbar!" entstehen!

Wer alle Geschichten lesen möchte, meldet sich einfach telefonisch (0211 15 30 60) oder per Mail (hallo-nachbar@vision-teilen.org) bei uns, um eine eigene Ausgabe von „Alltagsgeschichten“ zu erhalten!