In unserem neuen Heft, „Alltagsgeschichten“, berichten Ehrenamtliche und Nachbarn*Innen gemeinsam von ihren Erlebnissen und Erfahrungen, die sie durch und mit „hallo nachbar!“ gesammelt haben. Alle zwei Wochen möchten wir nun einzelne Geschichten vorstellen, sodass alle einen besseren Einblick in das Leben unserer Nachbarn*Innen und die Arbeit unserer Ehrenamtlichen bekommen können.
Alle, die Interesse an diesen Geschichten haben, können die „Alltagsgeschichten“ ganz einfach kostenlos bei uns bestellen! Einfach telefonisch (0211 15 30 60) oder per Mail (hallo-nachbar@vision-teilen.org) bei uns melden und ein eigenes, gedrucktes Heft per Post oder zum Abholen im Büro (nach terminlicher Absprache), erhalten.
Nes ist eine unserer jüngsten Nachbarinnen. Ihr tut ihr unsere Hilfe genauso gut, wie unseren älteren Nachbarinnen und Nachbarn, denn ihr Leben hat es nicht immer gut mit ihr gemeint. Warum genau das so ist, möchte Nes lieber selber erzählen:
„Ich bin leidenschaftliche Podcasterin. Jede Woche machen wir Interviews mit wechselnden Gästen und sehr unterschiedlichen Themen. Der Podcast heißt „Dope & Damaged“ und kann auf Youtube gesehen und den üblichen Streamingplattformen gehört werden. Bei mir kommen nicht nur die Reichen und Berühmten zu Wort. Mein Motto ist: Jeder hat eine Geschichte, jeder hat eine Meinung und jeder hat etwas zu erzählen. Wir sprechen über Karriere, Persönlichkeitsentwicklung, psychische Gesundheit und vieles mehr. Mein Ziel ist es, aufzuklären, zu motivieren und zu inspirieren. Meine Podcast-Ausrüstung passt in einen großen Koffer. Ich mache fast alles selbst. Lediglich beim Einstellen der Kamera und des Lichts brauche ich Hilfe. Warum? Ich bin blind.
Das war eine verrückte Zeit mit Musik und Promis.
Ich bin in Marokko geboren und kam mit zweieinhalb Jahren nach Deutschland. Bis zu meinem fünften Lebensjahr konnte ich sehen, dann nahm mir ein OP Fehler das Augenlicht. Ich versuche mein Leben so normal wie möglich zu gestalten. Ich machte Musik und organisierte Events – alles bis hin zu großen Veranstaltungen. Irgendwann ergab sich sogar die Gelegenheit, mit bekannteren Produzenten in London an meiner Musik zu arbeiten. Das war eine verrückte Zeit mit Musik und Promis. Ich lebe sehr selbständig und bin dankbar, dass ich eine eigene Wohnung habe. Wenn ich allein nach draußen gehe, zeige ich nicht, dass ich blind bin. Ich habe negative Erfahrungen gemacht. Einmal überfiel mich ein Mann mit einem Messer, ein anderes Mal wurde ich verfolgt. Ich habe oft Angst.
Die Dankbarkeit steht für mich an erster Stelle.
Seit zwei Jahren bin ich bei „hallo nachbar!“. Ich bin sehr demütig. Die Dankbarkeit steht für mich an erster Stelle. Sie erdet einen extrem. Es gibt so viele Nörgler auf der Welt. Ich weiß es zu schätzen, was die Leute von „hallo nachbar!“ leisten. Meine zwei Ehrenamtlichen heißen beide Christina und wir verstehen uns alle sehr gut. Sie gehen mit mir einkaufen, helfen Formulare auszufüllen und machen Erledigungen mit mir. Neulich waren wir zusammen essen und sind vorher beim Shoppen etwas über das Ziel hinausgeschossen. Wir hatten eine Menge Spaß. Ich habe wahnsinnig Glück mit den beiden. Wie das passt mit uns, ist schon toll. Die Leute von „hallo nachbar!“ haben ein gutes Händchen bei der Vorauswahl.
Sie war mein sehendes Alter Ego.
Vor einigen Jahren passierte etwas Schlimmes. Ich verlor meine jüngere Schwester durch einen Mord. Wir hatten ein enges Verhältnis, telefonierten täglich miteinander. Sie war mein sehendes Alter Ego. Als sie 25 Jahre alt war, überfiel sie ein Handwerker, der im Haus zu tun hatte. Unter einem Vorwand kam er mehrmals zu ihr in die Wohnung. Beim letzten Mal vergewaltigte er sie. Sie schaffte es danach kurzfristig in den Hausflur zu entkommen, doch er fing sie ein. Der Nachbar bekam das zwar mit, unternahm jedoch nichts. Schließlich brachte der Täter sie um. Erst wurde sie durch das Würgen mit dem Handykabel ohnmächtig, in der Badewanne ertränkte er sie schließlich. Meine Welt brach zusammen. Der Mörder wurde gefasst und nahm sich in der Untersuchungshaft das Leben. Meinen Herzensmenschen brachte es nicht zurück. Warum ich das so genau erzähle? Ich möchte an die Zivilcourage der Leute appellieren. Hinsehen statt wegsehen! Vielleicht schreibe ich mal ein Buch.
PS: Opfern von Gewalttaten möchte ich den Verein „Weisser Ring“ ans Herz legen.“
Die „Alltagsgeschichte“ von Nes ist für viele schwer zu lesen. Aber genau aus diesem Grund ist es wichtig diese auch hier zu erzählen. Denn auch solche Schicksale gehören mit zu den Menschen, die wir bei „hallo nachbar!“ begleiten und die uns an ihrem Leben teilhaben lassen.
Nes stellt sich als starke Persönlichkeit den alltäglichen Herausforderungen und nimmt die Unterstützung durch unsere Ehrenamtler*Innen gerne an.
Wer mehr über Menschen wie Nes lesen möchte, meldet sich einfach telefonisch (0211 15 30 60) oder per Mail (hallo-nachbar@vision-teilen.org) bei uns, um eine eigene Ausgabe von „Alltagsgeschichten“ zu erhalten!